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Das Märchen von der Laugenblüte

Das Märchen von der Laugenblüte

Die Geschäfte liefen gut und so entschied Meister Karl einen Lehrjungen anzustellen.

Die Wahl fiel auf den Nachbarsjungen Mark, der schon mal bei Karl als Aushilfe arbeitete.

Die ersten Wochen waren schwer für Mark. Früh Aufstehen und körperliche Arbeit forderten ihn sehr. Und so unterstütze Meister Karl zuerst Mark noch bei den Lehrlingsaufgaben wie Säubern der Backstube, Reinigen der Backbleche und Waschen der Textilien.

Nach sechs Wochen erkannte Karl, dass Mark allein die Restarbeiten übernehmen kann. So verging ein halbes Jahr. Karl und Mark arbeiteten gut zusammen. Mark lernte schnell und so entschied Meister Karl seinen Lehrjungen an die Ofenarbeit heranzuführen.

Mark war wissbegierig und wusste schnell, welche Backwaren Dampf benötigen, so dass sie richtig beschwadet werden und bei welchen Temperaturen Backwaren gebacken werden. Wie man Temperaturen im Holzofen bestimmt und wann man den Ofenzug öffnetdamit Dampf abziehen kann. Auf die Frage von Mark: „Meister, wie kann ich erkennen, wann die Brötchen gut gebacken sind?“, gab Meister Karl einen Tipp, den Mark später immer bildlich vor Augen sah: „Mark, wenn die Brötchen so gülden schimmern wie das Haar deiner Mathe-Lehrerin. Dann können die Brötchen ausgebacken werden.“

So sah Mark, wenn er Brötchen backte, immer bildlich seine ungeliebte Mathe-Lehrerin vor sich. Denn die Mathe-Lehrerin war streng und er tat sich schwer mit Mathe. Dieses Bild wurde von Tag zu stärker, es brannte sich in seine Gedanken ein.

Und so geschah es. Mark war fast fertig mit den Reinigungsarbeiten, Schürzen und Handtücher hatte er in die Waschlauge zum Einweichen gegeben. Es galt nur noch die letzten Brötchen in den Ofen einzuschieben und golden auszubacken.

Mark nahm den Ofenschieber und schob die Brötchen in den heißen Ofen, und wie aus dem Nichts erschien die ungeliebte Mathe-Lehrerin mit ihren goldenen Haaren vor seinem Gesicht, wie zum Greifen nah.

Mark erschrak, verriss den Schieber und die Brötchen landeten in der Waschlauge.

Oh … das würde Ärger vom Meister geben. Denn Meister Karl duldete keine Verluste. So nahm Mark die Brötchenteiglinge aus der Waschlauge, legte diese auf den Schieber und schob die Brötchen in den Ofen.

„Puh …“, dachte Mark. Da hatte er noch einmal Glück gehabt, der Meister hat nichts gemerkt. Die Brötchen werden in zwanzig Minuten gülden ausgebacken.

Mund so war es auch. Die Brötchen waren schön goldgelb, die Kruste splitterte fein knusprig. Doch dann hatte er auf einmal kastanienbraune Brötchen auf seinem Schieber. Ein Kastanienbraun wie die Haarfarbe der schönen Nachbarstochter Meike. Oh … was sollte das wohl bedeuten? Schon wollte Mark diese Brötchen verschwinden lassen, doch just in dem Moment kam Meister Karl herein.

Karl erkannte gleich, dass etwas nicht stimmte und fragte: „Mark, was ist hier los?“ Mark war nervös und stotterte dabei und sagte: „Meister, mir ist ein kleines Missgeschick passiert, ich werde es wiedergutmachen.“ Meister Karl schaute nach den Brötchen, sah zufrieden die goldenen Brötchen an und besah sich dann skeptisch die kastanienbraunen Brötchen. Karl nun lauter: „Mark, was sind das für Brötchen?“ Und noch während er sprach, brach er ein Stück heraus und steckte diese in den Mund. Mark sagte noch: „Nicht probieren, Meister.“ Doch es war zu spät, Meister Karl hatte es bereits im Mund, wägte den Geschmack ab und schluckte herunter. Mark schlug aus Vorsicht die Arme über den Kopf zusammen, er erwartete eine heftige Reaktion vom Meister. Doch die blieb aus.

Stattdessen fragte Meister Karl: „Mark, was hast Du mit den Brötchen gemacht? Die sind besonders lecker. Sie sind würziger und die Kruste glänzt fein.“

Dann traute Mark sich und berichtete von seinem Missgeschick, das er auslöste, da er immerzu an die ungeliebte Mathe-Lehrerin dachte.

Da lachte Meister Karl laut und sagte glucksend: „Mensch Mark, Du hast dich vor der Mathe-Lehrerin erschreckt?

Ach, erfreue Dich lieber an deinen kastanienbraunen Laugen-Brötchen. Sie haben die gleiche Farbe wie die Haare deiner Nachbarin. Und sie glänzen auch so wie Meikes Haar. Und ich kann Dir sagen: „Jeden Morgen, wenn Meike im Laden ist, erkundigt sie sich nach Dir und fragt, wie es Dir geht und was Du tust. Dabei versucht sie immer einen Blick in die Backstube zu erhaschen, um dich wenigstens für einen kurzen Moment zu sehen.“ Mark war sprachlos.

Weiter sagte Karl: „Mark! Mach Feierabend, nimm die kastanienbraunen Brötchen und überreiche sie der Nachbarstochter.“ Mark gehorchte, wie auf Befehl. Er nahm die Brötchen aus der Waschlauge und machte sich auf den Weg. Unterwegs begegnete er der Mathe-Lehrerin, die grüßend ausrief: „Oh, Mark was hast Du für leckere Brötchen gebacken.“ Mark ging schmunzelnd weiter, blieb vor dem Grundstück der Nachbarin stehen, nahm allen Mut zusammen und klingelte. Und alles Glück der Erde kam zusammen: Meike öffnete mit offenen kastanienbraunen Haaren die Tür und begrüßte mit bezaubernden Lächeln: „Oh Mark, was für eine schöne Überraschung, Du arbeitest immer so früh und am Tage sehe ich dich nur sehr selten.“

Wohlige Wärme durchströmte seinen Körper, das strahlende Lächeln verzauberte gänzlich. Wie Meike so in der Tür stand, wirkte sie so zart und hübsch, wie eine Blüte am frühen Morgen. Der Gedanke, wie sie ausschauen werde, wenn sie vollends erblüht, machte ihn kurz sprachlos. Dann fasste er sich wieder und sagte: „Meike, ich habe eine neue Brötchensorte gebacken, diese Brötchen sind kastanienbraun, wie dein glänzendes Haar.“ Meike sagte: „Oh, das ist lieb von dir. Die sehen lecker aus, wie nennt ihr die Brötchen denn? Gerne möchte ich mir in den kommenden Tagen aus Karls Bäckerei welche holen.“ Mark stutze kurz und antwortete: „Äh … wir nennen die Brötchen Laugenblüte.“

Und so wurde aus einem Missgeschick die Laugenblüte geboren, Lehrjunge Mark und Nachbarstochter Meike fanden ihre Liebe, und noch heute wird in Kalles-Backstube die Laugenblüte täglich frisch und mit Leidenschaft gebacken.

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