Bäcker mit Laib und Seele
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Die Legende vom Di-Di-Brot

Fast schon legendär ist die Geschichte vom Di-Di-Brot und seiner Entstehung, die gar nicht so weit in die Geschichte zurückreicht. Hört gut zu, was euch Tante Minna heute zu erzählen hat:

Bäcker Karl hatte eine gut laufende Bäckerei, weit im Osten. Dass es ihn mal direkt an die Küste der Nordsee verschlagen würde, da dachte er nicht einmal im Traum daran. Aber wie das im Leben nun mal so ist, alles läuft anders, als man es sich so vorstellt.
Denn es kam ein großer Krieg und mit ihm Tod und Elend. Und die Menschen mussten ihre Heimat verlassen, manche konnten nur das mitnehmen, was sie am Leibe trugen. Und auch Bäcker Karl, von allen nur Kalle genannt, musste sich mit seiner Familie auf die Flucht begeben. Und das Einzige, was er mitnehmen konnte, waren seine Traditionsrezepte. In aller Eile packte er noch einen kleinen Getreidesack ein, ohne genau zu schauen, was es denn für Getreide war.

Nach einer ihm unendlich lang erscheinenden Zeit gelangte er schließlich nach Dithmarschen, ein Fleckchen Erde, direkt an der rauen Nordseeküste mit ebenso rauen Bewohnern, die Fremden gegenüber immer etwas knorrig waren. Fern der Heimat, inmitten einer eher kargen Landschaft, inmitten von Menschen, die nur plattdeutsch „snackten“, aber generell eher wortkarg und verschlossen waren, und völlig ohne Mittel und Handwerkszeug – Kalle war verzweifelt. Zunächst versuchte er, sich und seine Familie mit Gelegenheitsjobs durchzubringen. Aber viel Arbeit gab es nicht, alles lag brach, der Krieg hatte seinen Tribut gefordert. Und auch wenn Kalle ein tüchtiger Mensch war, so war er doch im Herzen vor allem eines: ein Bäcker mit „Laib“ und Seele.

Da war guter Rat teuer. Rezepte hatte er, Talent hatte er, eine Backstube würde sich schon irgendwie finden, aber es blieb die Frage: Womit backen? Denn Wasser, Salz und Hefe ließe sich ja noch auftreiben, aber gutes Getreide war Mangelware in diesen Zeiten.
Also wurde Bäcker Karl zunächst mal bei den Bürgermeistern vorstellig. Blumig schilderte er ihnen, was er an köstlichen Backwaren zaubern könnte, wenn nur bessere Zeiten anbrechen würden. Und die Bürgermeister aus Dithmarschen glaubten ihm, denn reden, das konnte Kalle, sodass die Backwaren fast schon zum Greifen nah als Luftgebilde über deren Köpfe hingen und ihnen das Wasser im Munde zusammenlief.
Und nach kurzem Hin und Her war man sich einig, dem zugezogenen Bäcker die alte Bäckerei im Kaiser-Wilhelm-Koog zuzuweisen. Die stand schon lange leer und einen einheimischen Nachfolger gab es nicht.
Also zog Kalle mit seiner Familie dort ein und sie richteten sich, so gut es eben ging, ein. Nebenan wohnte Bauer Johann, ein tüchtiger Kerl, der zwar Landbesitz hatte, aber nichts mehr zum Aussäen. Und dementsprechend schlecht war auch seine Stimmung.
So kam es, dass zwei Menschen aufeinandertrafen, die beide gerade vom Schicksal gebeutelt waren und ihren Beruf, den sie doch so liebten, nicht ausüben konnten. Da blieb es nicht aus, dass es auch mal zum Streit kam. Von guter Nachbarschaft konnte man da nicht reden, zumal ja beide von einem anderen Menschenschlag waren – der eine aus dem Osten, der andere ein alteingesessener Küstenbewohner.

„So geht das doch nicht weiter“, stellte Kalles Frau fest. „Setzt euch zusammen und redet miteinander!“

„Ach, das bringt doch nichts, ich bin nicht gut drauf, und Bauer Johann auch nicht, das bringt nur noch mehr Probleme“, murmelte Kalle und zog sich in seine leere Backstube zurück. Und als er da so saß und Trübsal blies, fiel sein Blick plötzlich auf den Getreidesack, den er bei der Flucht noch eingepackt hatte. „Das ist es!“, rief er aus. Schnell packte er den Sack und eilte zu Nachbar Johann hinüber, der natürlich über den Besuch so gar nicht erfreut war und lieber seine Ruhe haben wollte.
„Halt! Warte – schau, was ich hier habe!“, rief Kalle und öffnete den Sack. Bauer Johann kam näher und kaum, dass er erblickt hatte, um was es sich handelte, leuchteten seine Augen auf: „Das sind doch Dinkelkörner! Die sehen sogar noch frisch aus!“
„Ach, Dinkel ist das? Wunderbar. Hier, ich schenk sie dir!“
Und weil es gerade Frühjahr war und eine gute Zeit zum Säen, spannte Johann seine Pferde an, pflügte den Acker, der direkt zwischen seinem Grundstück und der alten Bäckerei lag, und säte den Dinkel aus. Nun hieß es warten bis zur Ernte im Hochsommer. Aber Kalle und Johann, beflügelt von der Hoffnung auf die erste Getreideernte, rauften sich zusammen. Kalle half ihm mit den Kühen und Schafen, Johann half ihm, das Wohnhaus und die Backstube wiederherzurichten. Und so gingen Frühjahr und Sommer dahin, das Wetter war ihnen gnädig, kein Sturm, kein Sturzregen und keine Dürre herrschte und im August standen die Ähren gülden in der Sommersonne. Gemeinsam machten sich die Koogbewohner an die Ernte, trennten Korn vom Spelz und Bäcker Kalle konnte schon bald den Dinkel mahlen. Das Rezept hatte er sich schon überlegt. Ein uriges Vollkornbrot sollte es werden. Und das wurde es auch. Und die Dithmarscher waren so begeistert, dass es spontan den launigen Namen Di-Di-Brot erhielt: Dithmarscher Dinkelbrot.

Und so wurde aus dem zugezogenen Bäcker, dem man doch immer etwas Misstrauen entgegengebracht hatte, plötzlich ein echter Dithmarscher, denn er hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes in die Herzen der Dithmarscher gebacken.
Diese schöne Tradition – vom Feld direkt in die Backstube, in der hauseigenen Steinmühle frisch vermahlen und dann vor Ort über Nacht geführt und frisch gebacken – ist bis heute erhalten geblieben. Das Brot wird so lange angeboten, bis der jeweilige Ernteertrag eines Jahres verbraucht ist.

Besser, vollwertiger und nachhaltiger kann ein Brot nicht sein – und gleichzeitig eine Erinnerung daran, wie auch Fremde zusammenfinden können, wenn man sich gegenseitig hilft.

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