Bäcker mit Laib und Seele
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Das Märchen vom ewigen Brot oder wie die Wattkruste nach Dithmarschen kam

Es war einmal in Dithmarschen vor langer, langer Zeit. Die Ernte war schlecht gewesen, der Winter hatte viel zu früh Einzug gehalten, sodass sogar der Kohl auf den Feldern erfroren war, und eine Sturmflut hatte viele Menschenleben gekostet. Und draußen im Lande herrschte der Krieg und nur noch Frauen und Kinder und alte Leute waren zurückgeblieben. Armut und Hunger gab es, aber nichts zu essen.

Da lebte auch ein armes, aber gottesfürchtiges Mädchen allein mit seiner kranken Mutter. Als die Mutter den Tod nahen sah, da sprach sie zur Tochter: „Geh hinaus in die Welt und finde dein Glück. Sei immer sittsam und weichherzig und komm nicht vom rechten Wege ab!“ Mit dem letzten Rest trockenen Brotes, einem ersparten Taler und einem Wollschal, den die Mutter gestrickt hatte, machte sich das Mädchen auf ins öde Marschland, zog weiter und weiter, bis es schließlich an einen großen dunklen Wald kam. Es folgte dem Weg durch den Wald und gelangte schließlich zu einer Lichtung, wo es rasten wollte.

Das Mädchen wollte gerade seine Brotkrumen auspacken, als es plötzlich ein dünnes Stimmchen vernahm, das verzweifelt rief: „Hilf mir, hilf mir!“ Das Mädchen blickte sich suchend um, sah aber nur einen Strauch und ging darauf zu. Wieder ertönte die Stimme: „Hilf mir, hilf mir!“ Das Mädchen bog die Zweige auseinander und entdeckte ein kleines Mäuschen. „Der Winter ist so kalt, es gibt nichts mehr zu fressen für mich – lass mich nicht verhungern“, rief das Mäuschen. Und weil das Mädchen so ein gutes Herz hatte, gab es dem Mäuschen seine letzten Brotkrumen. Und das Mäuschen bedankte sich und schickte das Mädchen mit Gottes Segen weiter des Wegs.
Der Wald schien kein Ende zu nehmen, bis das Mädchen schließlich an eine Kreuzung gelangte. Ratlos blieb es stehen, weil es nicht wusste, welchen Weg es einschlagen sollte. An der Kreuzung stand ein hohler Baum und darin raschelte etwas. Das Mädchen blickte hinein und sah eine Eule, die fast keine Federn mehr hatte. „Hilf mir, liebes Kind, ich erfriere“, rief die Eule. Und das Mädchen nahm seinen Schal und machte der Eule daraus ein wärmendes Nest. „Nimm den rechten Weg!“, sprach die Eule, „da wirst du dein Glück finden!“
Das Mädchen folgte dem Rat und ging weiter, hungrig und frierend, aber voller Zuversicht.
Langsam wurde der Wald lichter und vor ihm erstreckten sich brachliegende Felder und Wiesen. Das Mädchen wanderte weiter, bis es plötzlich in der Ferne ein Gebäude erkennen konnte. Darauf ging es zu, denn weit und breit gab es sonst keine Behausungen, keine Menschen und Tiere. Als es näher kam, erkannte das Mädchen, dass es nur eine alte verfallene Scheune war. Aber ein Dach über dem Kopf ist besser als nichts, dachte es sich, kroch in die Scheune und schlief sofort ein. Es dämmerte, als das Mädchen erwachte und ein seltsames Geräusch hörte. Es schaute aus der Scheune und sah, dass sich ein Fuhrwerk näherte, gezogen von einem klapprigen Gaul. Ein altes Mütterlein fuhr den Wagen und hielt an, als sie das Mädchen sah. „Steig auf, ich nehme dich mit“, sprach das Mütterlein, und das Mädchen beeilte sich, auf den Wagen zu steigen. „Was bist du so allein unterwegs?“, fragte die alte Frau, und das Mädchen erklärte ihm, dass es auf der Suche nach dem Glück sei, denn zu Hause gäbe es nichts mehr zu essen. Schließlich kamen sie zu den Toren einer Stadt. Und das Mütterlein sagte: „Hier musst du aussteigen!“. Und das Mädchen bedankte sich und fragte, was es dem Mütterlein schuldig sei. Diese sprach: „Gib mir, was es dir wert ist.“ Und weil das Mädchen sonst nichts mehr hatte, gab es der Alten seinen Taler.
Plötzlich erstrahlte ein helles Licht, das Mütterlein verschwand und an ihre Stelle trat eine Fee hervor. „Weil du mitleidig warst und ein gutes Herz hast und nur zum Wohle der anderen gehandelt hast, hast du einen Wunsch frei!“
„Ich wünsche mir nur, dass mein Land Dithmarschen wieder genug zu essen hat, dass der Bäcker wieder sein täglich Brot backen kann und alle satt werden!“
Da schenkte die Fee dem Mädchen einen Sack mit Mehl und einen Topf mit Sauerteig. „Mehl und Sauerteig werden nie ausgehen, sodass es nie mehr Hunger geben wird. Nur musst du es dem Bäcker bringen, sein Weib werden, und ihr müsste daraus ein ganz besonderes Brot schaffen.“
Und eh sich das Mädchen es versah, stand es wieder in seiner Heimat direkt vor der Bäckerei. Und aus dem Sohn des Bäckers war inzwischen ein junger Mann geworden, dem gefiel das Mädchen, das nun eine junge Frau war. Und aus dem Mehl und dem Sauerteig erschufen sie ein gar köstliches Brot und nannten es zu Ehren ihrer Heimat an der Küste
Wattkruste. Sie konnten so viele Brote backen, wie sie nur wollten, nie wurden der Sack und der Topf leer.
Und die Dithmarscher dankten es ihnen, indem sie den Bäcker und seine Frau verehrten, als seien sie das Königspaar.


Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute und backen täglich
Wattkruste für die Dithmarscher.

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